von Horst Glameyer
„Wir sind noch einmal davon gekommen“ lautet der deutsche Titel eines Theaterstücks von Thornton Wilder, das nach 1945 auf vielen deutschen Bühnen aufgeführt wurde. Mit Blick auf die Atombomben, die auf Hiroshima und Nagasaki fielen, grauenvoll zutreffend.
Giftgas im Ersten Weltkrieg
Sowohl die Alliierten (Frankreich, England, Italien und Russland) als auch die Mittelmächte (Deutschland und Österreich-Ungarn) bekämpften im Ersten Weltkrieg ihre Gegner mit Giftgas. Zwar waren nach der Haager Landkriegsordnung giftige Gase als Waffen verboten, nicht jedoch ungefährliche Reizstoffe, wie z.B. Tränengas, das man später zusammen mit Giftgasen einsetzte. Das scheinbar harmlose Tränengas verleitete dazu, keine Gasmaske aufzusetzen. Das Giftgasverbot wurde umgangen, indem man z.B. Chlorgas zum erlaubten Reizstoff erklärte.
Wendepunkt in der Kriegsführung
Mit Giftgas wurde im Gegensatz zu anderen Kriegswaffenerstmals bewusst ein Massenvernichtungsmittel eingesetzt. Das beweisen auch die erschreckend hohen Opferzahlen an Toten und Verwundeten nach einem Gasangriff im Stellungskrieg. In der Zweiten Flandernschlacht am 22. April 1915 bei Ypern verwendete ein deutsches Armeekorps 150 Tonnen Chlorgas in Flaschen, aus denen es nach dem Haberschen Blasverfahren freigesetzt wurde. Weil Chlor schwerer als Luft ist und absinkt, wirkte es in den Schützengräben verheerend. Man nimmt an, dass in dieser Schlacht 1200 Soldaten getötet und 3000 verwundet wurden.
Chlor, ein Abfallprodukt der chemischen Industrie, konnte in großen Mengen hergestellt werden. Es war billiger als Gewehr- und Artilleriemunition und bot sich schon deshalb aus Kostengründen als Kampfmittel an.
Verfeinerung der Waffen- und Angriffstechnik
Da je nach Windrichtung das Gas auch die eigenen Soldaten treffen konnte, blies man es später nicht mehr in die Luft, sondern verschoss es mit Giftgasgranaten in Aerosol- oder Pulverform. Farbige Kreuze auf den Granaten markierten deren giftigen Inhalt. Je nach Art und Wirkung eines Gases unterschied man zwischen Blau-, Gelb-, Grün- und Weißkreuzgranaten.
Beim Buntschießen mit Gasbatterien wurden verschiedene Kampfstoffe kombiniert. Ihm fielen bei einer österreichisch-ungarischen Offensive am 24. Oktober 1917 über 5000 Italiener zum Opfer, die nur ungenügend oder gar nicht mit Schutzkleidung ausgerüstet waren.
Giftgase, die eingeatmet werden, wirken tödlich. Andere Giftstoffe gelangen durch die Kleidung und über die Haut in die Blutbahn. Wieder andere führen zu vorübergehender oder bleibender Erblindung. Starken Hustenreiz erzeugende Wirkstoffe zwingen dazu, die Schutzmaske abzunehmen.
Nobelpreisträger Prof. Dr. Fritz Haber (1868-1934)
Mit seinem Namen ist vor allem das weithin bekannte Haber-Bosch-Verfahren verbunden. Es wurde 1910 zum Patent angemeldet. Mit ihm lässt sich synthetisches Ammoniak herstellen, mit dem Düngemittel und Sprengstoffe erzeugt werden können. Zuvor benötigte man dafür Salpeter. Für die Ammoniaksynthese erhielt Fritz Haber 1919 den Chemie-Nobelpreis.
Prof. Dr. Fritz Habers Kriegseinsatz
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs bietet er sein Können und Wissen der Obersten Heeresleitung an und arbeitet 1914 als Leiter der „Zentralstelle für Fragen der Chemie“ im Kriegsministerium u.a. an der Entwicklung von Gaskampfstoffen. In Deutschland wurde er dadurch zum „Vater der Giftgaswaffen“: Wie sein Kollege, der Chemiker Otto Hahn, in seinen Lebenserinnerungen schreibt, war Fritz Haber der Ansicht, er könne sich über das Giftgasverbot der Haager Landkriegsordnung hinwegsetzen, wenn sich dadurch der Krieg schneller beenden ließe und viele Menschenleben gerettet würden. Ein Argument, mit dem auch der Atombombenabwurf im Zweiten Weltkrieg gerechtfertigt wird, das aber auf den Giftgaseinsatz im Ersten Weltkrieg nicht zutrifft.
Dr. Clara Immerwahr (1870-1915)
Sie promovierte im Jahr 1900 als erste Frau an der Universität Breslau in physikalischer Chemie und heiratete ein Jahr später den Chemiker Dr. Fritz Haber. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann lehnte sie die Entwicklung und den Einsatz von Giftgasen im Ersten Weltkrieg entschieden ab und erklärte sie öffentlich für eine „Perversion der Wissenschaft“. Als ihr Ehemann nach der Zweiten Flandernschlacht 1915 bei Ypern in Anerkennung des erfolgreichen Giftgaseinsatzes zum Hauptmann befördert wurde, erschoss sie sich mit seiner Dienstwaffe vor ihrem Haus in Dahlem bei Berlin.
Als Auszeichnung für den Einsatz gegen Rüstung und Krieg wurde die Clara-Immerwahr-Medaille erstmals 1991 von der Internationalen Vereinigung der Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) verliehen.
Zwischen den beiden Weltkriegen
Im Genfer Protokoll von 1925 wurden Giftgaseinsätze sowie die Verwendung biologischer Kampfmittel verboten. Dessen ungeachtet erfolgten in mehreren Kriegen Giftgasangriffe, z.B. gegen Äthiopien, die unter den schlecht ausgerüsteten Äthiopiern sehr hohe Verluste verursachten.
Obwohl in Deutschland noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an die Bevölkerung Volksgasmasken ausgegeben wurden und jeder Soldat an der Front sowie auf Heimaturlaub eine Gasmaske mit sich führen musste, hielten sich alle Kriegsparteien in Europa an das Genfer Protokoll. Vermutlich befürchteten sie sonst gegnerische Vergeltungsmaßnahmen.
Nach 1945
Im Ersten Golfkrieg setzte die irakische Armee auf Befehl Saddam Husseins schon 1980 chemische Kampfstoffe gegen den Iran ein. Unvergessen ist aber der grauenvolle Gasangriff aus dem Jahre1988 auf die irakischen Kurden, dem Tausende Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen.
Maschinengewehre und Panzer
Während die ersten Maschinengewehre bereits im 19. Jahrhundert in den USA erfunden und ständig verbessert an allen Fronten eingesetzt wurden, entwickelten Engländer und Franzosen als Abwehrmaßnahme gegen die kampfbeherrschenden Maschinengewehre im Ersten Weltkrieg gepanzerte Kettenfahrzeuge in großer Zahl. Unter der englischen Tarnbezeichnung „Tank“ setzten die Engländer 1917 in der Panzerschlacht bei Cambray mit Erfolg 300 Panzer ein.
Heutzutage sind Panzer aus deutscher Produktion sehr begehrt.
Raketentechnik
An sich sind Raketen keine Waffen, sondern nur Mittel zur schnellen Beförderung über große Entfernungen von Menschen und Material. Erst mit herkömmlichen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden sie als Interkontinentalraketen zur weltweiten Bedrohung. Im Zweiten Weltkrieg setzte Deutschland Raketen als Vergeltungswaffen V1 und V2 gegen England ein. Nach Kriegsende bemächtigten sich sowohl die USA als auch die Sowjetunion der deutschen Raketenforscher und damit ihres Wissens und Könnens. In jüngster Zeit versuchen die USA, sich durch einen Raketenschild gegen einen möglichen Raketenangriff zu schützen.
Kernspaltung
Im Dezember 1938 entdeckten der Chemiker und spätere Nobelpreisträger Otto Hahn und sein Assistent Friedrich Straßmann aufgrund mehrerer Experimente die Kernspaltung. Durch jahrelange Forschungen war auch Prof. Lise Meitner mit ihnen eng verbunden, die wegen ihrer jüdischen Herkunft im Juli 1938 nach Schweden emigrieren musste.
Atombomben
Schon kurz nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lag der Gedanke nahe, die Kernspaltung militärisch zu nutzen, weil dabei ungeheure Zerstörungskräfte freigesetzt werden konnten. Forscher aller Kriegsmächte arbeiteten mehr oder minder erfolgreich an der Entwicklung einer Atombombe. Der Physiker L. Robert Oppenheimer leitete am 16. Juli 1945 den amerikanischen Trinity-Test. Zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland bereits bedingungslos kapituliert, sodass sich ein Atombombenabwurf auf die schon von den USA festgelegten Ziele erübrigte. Wir waren noch einmal davon gekommen!
Am 6. August 1945 traf eine Atombombe Hiroshima, drei Tage später Nagasaki. Daraufhin kapitulierte Japan und der Krieg mit den USA war beendet.
Wasserstoffbomben
Ungeachtet der ungeheuren Sprengkraft der ersten Atombomben suchten sowohl die USA als auch die Sowjetunion, Bomben mit noch größerer Wirkung zu entwickeln. Die Amerikaner testeten am 1. November 1952 auf dem Bikini-Atoll die erste große Wasserstoffbombe. Sie soll etwa 830 Mal so stark wie die Hiroshima-Bombe gewesen sein. Als „Vater der Wasserstoffbombe“ gilt der ungarisch-amerikanische Physiker Edward Teller (1908-2003).
Neutronenbomben
Der amerikanische Physiker Samuel Cohen erfand die Neutronenbombe. Er hielt sie für die vernünftigste und moralischste Waffe, die jemals erfunden wurde. Sie vernichtet alle Lebewesen, indem sie deren Zellen zerstört, aber Gebäude usw. bestehen lässt. Cohen behauptete deshalb, sie sei die einzige nukleare Waffe, mit der Kriegsführung Sinn mache. Wenn der Krieg vorbei sei, sei die Welt noch intakt. Er starb 2010 im Alter von 89 Jahren.
Atomwaffensperrvertrag
Anders als in den orientalischen Märchen lässt sich der „Geist in der Flasche“ nicht mit einem Zauberwort in die Flasche zurückzwingen, wenn er sie erst einmal verlassen hat. Im Jahr 2010 bestand der Vertrag seit 40 Jahren und ist mehr und mehr „löcherig“ geworden. Ob er und andere Abrüstungsverträge weiterhin den Einsatz von Atomwaffen verhindern können, bleibt zu hoffen.
Drohnen
Das sind ferngesteuerte, unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge, mit denen neuerdings über Ländergrenzen hinweg gezielt einzelne Personen getötet werden können. Sie lassen sich auch unbewaffnet, aber kamerabestückt für polizeiliche Zwecke nutzen, z:B. zur Überwachung großer Menschenansammlungen.
Links:
CC-Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/
Fritz Haber und der Giftgaskrieg
„Jüdische Zeitung“ Im Andenken an Clara Immerwahr
Erster Weltkrieg: Waffensysteme (hier: Maschinengewehre und Panzer)
Raketentechnik im 20. Jahrhundert
Interkontinentalrakete
Kernspaltung (Otto Hahn)
Atombombe (Kernwaffe)
Wasserstoffbomben – riesige Staubsauger
Neutronenbombe
Atomwaffensperrvertrag
Amerikas Drohnen
Unbemanntes Luftfahrzeug