von Dieter Hirschberg
Satire, Comedy und Ensemblemusik gehören zur Kleinkunst und bilden einen Spiegel des Zeitgeschehens, bunt und aktuell wie unsere Gesellschaft. Die Kleinkunst ergänzt die klassische Kunst, ist volksnah und bietet einen Unterhaltungswert auf breiter Basis.
Was versteht man unter Kleinkunst?
Der Begriff ist schillernd wie das Kostüm eines Harlekins.
Seit etwa 111 Jahren hat sich eine schauspielerische oder satirisch-literarische Darstellungsform entwickelt, die folgende Facetten zeigt:
Kabarett (Cabaret, von Tucholsky aus dem Französischen eingedeutscht), Comedy, Chanson, Pantomime, Stegreifkomödie, Rezitation, Puppentheater und Erzählkunst oder virtuose Musikdarbietungen. Der Schwerpunkt ihrer Darstellungskunst kann in satirischem Wortwitz, in beißender Ironie, in ausdruckstarker Mimik, aber auch in hoher musikalischer Virtuosität liegen.
Das moderne Kabarett
Die gegenwärtige Hauptform ist das politisch-satirische Kabarett, das während des Nationalsozialismus verboten und nur eingeschränkt unter hohem persönlichen Risiko (Werner Finck) fortgeführt werden konnte, und nach dem 2.Weltkrieg eine erfolgreiche und vom Publikum begierig aufgenommene Renaissance als Abrechnung mit der Vergangenheit erlebte („Kom(m)ödchen“ in Düsseldorf, „Lach- und Schießgesellschaft“ in München).
Äußere Bedingungen
Mit geringem bühnentechnischem Aufwand stehen oft Naturtalente, aber auch Theaterprofis auf den Brettern („Brettl“). Sie bieten ihre Darstellung an wechselnden Spielorten an und schätzen die intime Atmosphäre mit großer Nähe zwischen Künstlern und Publikum.
Eine konsequente Einstellung drückte sich auch in der Wahl des Aufführungsraums aus: Die Kleinkünstler begnügten sich z.B. mit einem umgebauten Schuppen, mit Hinterzimmern oder auch Kellern (bekannte Beispiele: „Katakombe“ in Berlin oder das „Unterhaus“ in Mainz), in denen etwa 100 Besucher Platz fanden.
Dieses Prinzip der beengten und improvisierten Raumverhältnisse gilt heute noch.
Was verlangt Kleinkunst vom Künstler?
Beim Darsteller der Kleinkunst handelt es sich um ein Talent, das außergewöhnliche Fähigkeiten mitbringt. Das kann sich in der Aktualität und der thematischen Behandlung eines Textes, in der ausdrucksstarken Mimik oder in der besonderen Spieltechnik eines Instrumentes zeigen.
Beim Kabarettist ist es ein Spiel mit dem Vorwissen des Publikums. Wie das Gespür des Künstlers und sein spielerisches Talent auf das Publikum wirken, ist für den Erfolg seines Auftritts wesentlich. Die Beifallstärke und –länge sollte ein Maß für die Qualität des Auftritts darstellen. Neuerdings treten viele Künstler alleine auf. Diese Art des Auftritts fordert den Künstler besonders, da alle Register seiner künstlerischen Anlagen gezogen werden müssen.
Was bietet die Kleinkunst dem Publikum?
Das Publikum erwartet z. B. Muße, nicht verstanden als bloßes Abschalten, sondern als seelische Haltung, als kompensatorisches Element im ansonsten ruhelosen Alltag. Das gilt vor allem für musikalische Darbietungen. Es erwartet aber auch Unterhaltung, Anregung und geistige Herausforderung.
Auch wenn die Grenzen zwischen Satire und Comedy fließend sind, ist der ironische Humor, mit dem dies bei der Satire geschieht, ein charakteristisches Mittel zum Zweck. Ohne den gesellschaftskritischen Anspruch wird die Satire zur reinen Komik und zur Volksbelustigung im Sinne von „Brot und Spiele“.
Grenzen der Satire
Komik kann hilfreich sein, um dem Zuschauer oder Zuhörer den schonungslosen Blick auf die Wirklichkeit zu vermitteln, ohne ihn durch Angriff zu verschrecken. Satire muss treffen und betroffen machen, aber nicht durch persönliche Verleumdung, sondern durch harte, überspitzte Kritik an bestehenden Missständen.
Was darf Satire? Tucholsky sagt: Satire darf alles! Was Satire nicht darf:
Satire darf nicht verletzen oder beleidigen und nicht „nach unten treten“ d.h. sich auf Kosten von Schwachen und Minderheiten lustig machen (www.kabarettlive.de).
Im Gegensatz zur klassischen Kunst passt sich die Darbietung in Stil und Thema laufend der Aktualität an.
Wirkung auf den Zuschauer
Wird der Zuschauer über den Missstand informiert und über die Hintergründe aufgeklärt, so lacht er darüber, wenn seine Erwartungen durch treffende Aussagen des Künstlers bestätigt werden – es tritt der sogenannte „Aha-Effekt“ ein.
Aber auch umgekehrt kann die provozierende Aussage des Künstlers den Zuschauer unvorbereitet „erwischen“ und ein befreiendes, spontanes Lachen auslösen. Ob aber eine Spiegelung menschlicher Fehler oder politischer Unsinnigkeiten zu dauerhaften Einsichten oder Änderung des Verhaltens führen, ist sehr fraglich und wird von den meisten Künstlern verneint.
Musikalische Kleinodien
Die Musik spielt auf den Kleinkunstbühnen ebenfalls eine große Rolle und zwar
meistens in Form von kleinen Ensembles mit seltenen oder landestypischen Instrumenten oder Liedermachern mit ernsten oder satirischen Chansons
Leider wird in den letzten Jahren die anspruchsvolle Satire von der sogenannten Comedy mehr und mehr verdrängt und damit das Niveau auf reine Lachunterhaltung reduziert.
Literatur:
Budzinski, Klaus (1961): Die Muse mit der scharfen Zunge – vom Cabaret zum Kabarett.
Tucholsky, Klaus (1929): Deutschland, Deutschland über alles.
Fotos: Dorothee v. Mirbach-Kirchhoff