von Maja Prée
Ein Text mit persönlichen Gedanken zum Thema Vergangenheit.
Was bedeutet Vergangenheit?
Jeder Mensch hat seine Vergangenheit. Unsere Welt hat ihre Vergangenheit. Grammatikalisch spricht man dagegen von drei Vergangenheitsformen: im Präteritum (früher: Imperfekt) von der unvollendeten Vergangenheit, im Perfekt von der vollendeten Gegenwart und im Plusquamperfekt von dem, was wirklich vorbei ist, der vollendeten Vergangenheit. Dabei haben wir noch Glück – die englische Grammatik hat sechs Vergangenheitsformen. Doch darum geht es hier nicht. Vergangenheit – was gibt sie uns, welche Bedeutung hat sie für uns?
Ohne Vergangenheit geht es nicht
Seien wir ehrlich. Ohne die, die vor uns da waren, gäbe es uns nicht. Wir sind das Ergebnis unserer Vergangenheit. Oder der Vergangenheit, von denen, die vor uns waren. Ohne unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und weitere Ururvorfahren wären wir nicht hier auf dieser Welt. Sie alle haben eine Geschichte und haben uns für unser Leben ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiter gegeben. Wir sind geprägt durch ihre Gene und Lebenserfahrungen. Die von ihnen in der Vergangenheit erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten formten diese Welt, in der wir heute leben und die für unsere Kinder und Enkel auch schon wieder Vergangenheit sein wird, denn sie verändert sich ständig bzw. wird durch uns verändert.
Lernen aus der Vergangenheit?
Alles was wir bewusst wahrnehmen und in unserem Gehirn verarbeitet wird, ist schon wieder Vergangenheit. Trotz allem ist das Leben ein ständiger Lernprozess. Und nur aus dem, was wir gelernt haben, können wir für uns die richtigen Schlüsse ziehen, um in die Zukunft voranschreiten zu können. Heinrich Heine schrieb dazu „Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen, wir müssen ihn erforschen um zu wissen, was der morgige will.“ So geht es in unserer Entwicklung voran. Vom unbeholfenen Baby, das auf die Hilfe seiner Umwelt angewiesen ist, entwickeln wir uns vom Kleinkind zum lernenden Schulkind, sind meist froh, wenn die Schulzeit überstanden ist, und fangen mit der Berufsausbildung oder einem Studium wieder eine neue Phase des Lernens an. Und wenn man glaubt, man hat genug aus der Vergangenheit gelernt – gibt es wieder etwas Neues, was doch auch bald wieder der Vergangenheit angehört. Wir hören nie auf zu lernen.
Für die Zukunft
Das Wissen aus der Vergangenheit – heute immer besser erforscht – sollte auch künftig unser Rüstzeug sein. Wir kommen stetig voran, bei der Erforschung des Weltraumes, suchen nach neuen Welten und leben doch hier auf unserer Erde. Naturkatastrophen könnten unser Leben beeinflussen, Lebensbedingungen vielleicht so verändern, dass die Erfahrungen und das Wissen der Altvorderen zum Überleben notwendig sein können. Zurück zur Natur – ist so ein Slogan, der durchaus etwas für sich hat. In Einklang mit der Natur zu leben, geht das? Haben das unsere Vorfahren wirklich gekonnt? Oder war der Mensch schon immer das Raubtier, dem sich alles unterordnen musste?
Familie und Vergangenheit
Wie oft werden uns als Kind oder Jugendlichem Erfahrungen und Verhaltensweisen vorgehalten, wie sie für die ältere Generation normal oder selbstverständlich waren. Mit den Erfahrungen aus Kindheit oder Jugend kommt es oft zu Differenzen, Missverständnissen, Familienzwistigkeiten, die von „heilbar“ bis zu unversöhnlich verlaufen. Die Jugend nimmt sich das Recht der Rebellion heraus. Und ohne diese Form der Revolution würde sich manches nicht weiter entwickeln. Gut ist es, wenn es beiden Seiten gelingt, wieder aufeinander zuzugehen. Die Erfahrungen der „Alten“ und die Ungeduld der „Jungen“ bringen uns voran. Nutzen wir die Chance, Wunden die in der Vergangenheit entstanden sind, heilen zu lassen. Jetzt mit einigen Jahren Abstand kann ich manches gelassener sehen. Für mich habe ich das, was in der Vergangenheit war, begraben. Doch sie gehört zu meinem Leben. Scham oder Schuld will ich nicht mehr zulassen. Vergessen kann ich es nicht. Ich konnte mich mit dem, was in meiner Vergangenheit passiert ist, versöhnen. Und das ist wichtig für uns Menschen.
Arbeit und Beruf
Die Erfahrungen im Arbeitsleben können sehr unterschiedlich sein. Ich hatte und habe das Glück, über ein relativ durchgängiges Berufsleben zu verfügen. Es gab auch Auszeiten: Zeiten, in denen die Kinder geboren wurden und die ersten Lebensmonate in enger Bindung zu mir als Mutter aufwuchsen. Aber ich nutze auch die Chance, meine Kinder in die Krippe bzw. den Kindergarten zu bringen. Nach dem jeweiligen Wiedereinstieg in den Beruf wurden mir neue Aufgabengebiete anvertraut. Sie erweiterten den Blick und zwangen mich, Neuem aufgeschlossen gegenüberzutreten. 1989 stand beruflich eine vollkommene Neuorientierung an. Und wieder merkte ich, dass das Wissen, welches ich zuvor erworben hatte, nicht umsonst gewesen war. Ich konnte davon profitieren, sah über den Tellerrand hinaus. Nicht alles war von gleich großer Bedeutung. Aber das breite Spektrum der Kenntnisse, schärfte den Blick für anderes. Fakt ist, es war gut offen zu bleiben für neues, nicht nur in der Vergangenheit zu leben.
Wie stehe ich nun zur Vergangenheit?
Es gibt immer wieder Lebensbereiche, in denen krampfhaft daran festgehalten wird, wie gut doch alles früher war. Doch das nutzt uns nicht. Manchmal fällt es uns schwer, mit dem Zug des Lebens mitzuhalten, zu schnell rast er irgendwann an uns vorbei. Hält nicht auf jeder Station um uns einsteigen zu lassen oder wir übersehen einfach, dass er angehalten hatte, um uns mitzunehmen. Aber halten wir Augen, Ohren und unser Herz offen – so werden wir mit der Vergangenheit leben können, daraus lernen und unsere noch vor uns liegende Zeit in unserem Sinne gestalten. Persönliche Erfahrungen nehmen wir mit. Sie sind am Ende die Summe unseres Lebens.
Nutzen wir das Positive unserer Vergangenheit
Was war, ist Vergangenheit. Sie bereichert unsere Gegenwart. Gerade im musisch-künstlerischem Bereich wären wir nichts ohne unsere Vergangenheit. Welch Kunstwerke sind durch die Menschen entstanden. Musik, Malerei, Architektur, und vieles andere mehr?
In der Wissenschaft wurden bedeutende Entdeckungen gemacht. Mutige Menschen brachen mit Tabus, um zu forschen. Hier bringt das Wissen über das, was in der Vergangenheit geleistet wurde, Respekt, ich denke hier zum Beispiel an die Mediziner, die im Mittelalter bei der Erforschung des menschlichen Körpers hervorragendes leisteten. Natürlich gab es auch Forschungsergebnisse, die sich zu verheerenden Demonstrationen der Macht entwickelten (der Abwurf der Atombomben in Hiroshima oder Nagasaki). Gesellschaftlich haben gerade wir Deutschen in unserer nicht allzu fernen Vergangenheit viel Leid über die Menschheit gebracht. Aber wir haben es auch geschafft, Europa zu einem Kontinent mit zu gestalten, auf dem in einem sehr großen Teil seit vielen Jahren Frieden herrscht.
Das Thema Vergangenheit erscheint mir nun unerschöpflich. Die Wirkung auf meine Persönlichkeit, meinen Lebensstil, meine Freizeitgestaltung, … Leben wir mit unserer Vergangenheit. Nehmen wir sie an und nutzen wir sie, um noch besseres daraus zu schaffen.