von Lore Wagener
In der Loretokapelle der Augustinerkirche zu Wien wurden über Jahrhunderte hinweg die Herzen der habsburgischen Monarchen und ihrer Angehörigen in besonderen Herzurnen beigesetzt. So nennt man diese Kapelle im Volksmund auch „Herzgrüftl“.
Eine Tradition der Habsburger Dynastie
Die separate Herzbestattung gehörte zum Wiener Hofzeremoniell dazu. Die Herzurnen wurden zunächst neben dem Leichnam oder im Stephansdom beigesetzt. Seit 1654 pflegt man die Bestattung im „Herzgrüftl“ nahe der Hofburg. Der damalige Monarch wollte sein Herz der dortigen Marienstatue zu Füßen legen. Die nachfolgenden Monarchen behielten diesen Brauch bei bis auf Kaiser Franz Joseph, der strikt gegen die getrennte Bestattung war. Nach dem Wiener Hofzeremoniell wurden in der Regel die Körper in der Kapuzinergruft, die Herzen in der Loretokapelle und die Eingeweide in der Herzogsgruft im Stephansdom beigesetzt. Der unversehrte Leichnam des Kaisers Franz Joseph fand wunschgemäß seine letzte Ruhe in der Kapuzinergruft. Die letzte habsburgische Kaiserin, Zita von Bourbon-Parma, wurde noch 1989 in der Kapuzinergruft bestattet. Ihre Eingeweide wurden nicht entfernt, aber ihr Herz kam in die Loretokapelle des schweizerischen Klosters Murr. Auch das Herz des letzten Kaisersohnes Otto von Habsburg wurde 2011 getrennt bestattet. Der Leichnam kam in die Wiener Kapuzinergruft und das Herz in die ungarische Abtei Pannonhahna. In der Wiener Loretokapelle stehen heute 54 Herzurnen.
Die Tradition der Wittelsbacher
Die katholisch-bayerische Dynastie der Wittelsbacher hat ebenfalls eine Tradition der Teilbestattung verstorbener Monarchen. Falls die Könige nicht in Landshut, dem Ort ihrer Familiengruft, starben, wurden ihre Eingeweide in der Regel in der Liebfrauenkirche zu Ingolstadt, die Gebeine in St. Michael zu München und ihre Herzen in der Gnadenkapelle von Altötting beigesetzt. Das war schon seit dem Spätmittelalter Tradition.
Aber nicht nur die Herzen der regierenden Könige von Bayern nahm die Gnadenkapelle von Altötting auf, dort befinden sich auch die Herzurnen derjenigen Prinzen aus dem Hause Wittelsbach, die als Fürstbischöfe von Köln starben. Sie wurden in der Regel vor der Dreikönigen-Kapelle im Inneren des Kölner Doms mit großem Zeremoniell beigesetzt. Ihre Herzen dagegen brachte man in die Gnadenkapelle von Altötting. Die Eingeweide bekamen unterschiedliche Kirchen oder Klöster. Zum Beispiel wurden die Organe und der Schädel des in Ehrenbreitstein verstorbenen Fürstbischofs Clemens August I. in St. Remigius zu Bonn und Gehirn, Augen und Zunge in der Bonner Kapuzinergruft bestattet.
Die französischen Könige
Die Könige von Frankreich waren ebenfalls gute Katholiken. Ihre Körper wurden in der Kathedrale Saint Denis zu Paris bestatten. Herz und Eingeweide kamen wahlweise in Klöster, die den Monarchen besonders nahe standen. So konnten statt einer auch mehrere feierliche Bestattungen zelebriert werden. König Ludwig IX von Frankreich starb zum Beispiel im Jahre 1240 in Karthago. Seine Gebeine wurden in St. Denis begraben. Nach seiner Heiligsprechung wurden dann mit päpstlicher Erlaubnis sein Schädel sowie andere Körperteile als Reliquien aus St. Denis entnommen und an mehrere fromme Institutionen verteilt, so dass Ludwig IX an vielen Orten Grabmäler hat.
Die Päpste
Der Vatikan tolerierte zwar die separate Herzbestattung, die Päpste selbst praktizierten sie in der Regel aber nicht. Das Konzil von Vienne hatte ja 1311 entschieden, dass die Seele im ganzen Körper des Menschen beheimatet wäre, nicht nur im Herzen. Die päpstlichen Körper wurden einbalsamiert, dann öffentlich aufgebahrt und anschließend in der päpstlichen Krypta beigesetzt. Ihre inneren Organe mussten vor der Einbalsamierung entnommen werden. Sie wurden dann in dem Kirchlein Vincenzo e Anastasio in der Nähe des Trevi-Brunnens beigesetzt. Erst zwischen 1903 und 1914 wurde die Organentnahme abgeschafft, als Formaldehyd bessere Konservierungsmöglichkeiten bot. Die päpstlichen Herzen wurden nicht gesondert bestattet. So blieb der Wunsch vieler polnischer Katholiken unerfüllt, das Herz von Papst Johannes Paul II. nach Krakau zu überführen, um es dort zu bestatten.
Woher der Brauch kommt
Historiker vermuten, dass der Brauch, Herzen getrennt vom Körper zu bestatten, auf den Vorstellungen der Antike beruht. Damals galt das Herz als Sitz der menschlichen Seele, der Gefühle und der Liebe. Auch heute sprechen viele Religionen von der Magie und der spirituellen Kraft, die von diesem Organ ausgeht. Aus diesem Gedankengut soll sich im Mittelalter das hier beschriebene Ritual entwickelt haben. Als praktisch erwies es sich in der Zeit der Kreuzzüge. Da konnte man die präparierten Herzen von gefallenen Kreuzrittern in der Heimat bestatten, während der Transport der unversehrten Leichen in die Heimat technisch nicht möglich gewesen wäre.
Neben den Monarchen bekamen auch einige bekannten Persönlichkeiten der Geschichte eine Herz-Bestattung, oftmals als Zeichen der Ehrerbietung, etwa der sagenumwobene König Richard Löwenherz oder der Komponist Frédéric Chopin. Allgemein bekannt ist wohl die Herz-Bestattung des Barons Pierre de Coubertin. Das Herz des Neubegründers der Olympischen Spiele wurde 1937 im griechischen Olympia vor dem antiken Stadion beigesetzt.
Links
Die getrennte Bestattung von Herzen und Eingeweiden
Mumien in Klöstern und Kirchen
Pierre de Coubertin
Die Eingeweide der Päpste