von Anne Pöttgen
„In der Einsamkeit eines klösterlichen Lebens, in der ich nur noch zuweilen dunkel an die entfernte Welt zurückdenke, sind nach und nach folgende Aufsätze entstanden.“ So beginnen die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Und damit beginnt 1797 die romantische Literatur
Wackenroder und Tieck
Friedrich Wilhelm Wackenroder und Ludwig Tieck, zwei Freunde seit Schülerzeiten in Berlin lernten bei Ausflügen während ihres Studiums in Erlangen Burgen, Schlösser und Klöster der fränkischen Schweiz kennen. Diese „altdeutschen“ Bauwerke wurden zum Auslöser für die „Fibel der Romantik“: Die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, Phantasie über die Kunst für Freunde der Kunst.
Das Buch vollzog eine Rückwendung zum Mittelalter, obwohl die in den Aufsätzen verherrlichten Maler – Raffael, Michelangelo, Leonardo d Vinci und Dürer – ja bereits der Renaissance angehörten. Aber um die Wende zum 18. Jahrhundert war der Begriff Renaissance noch nicht so klar definiert, wie wir ihn in den Kunstbüchern und Lexika finden.
Auch Tiecks 1798 erscheinendes Buch „Franz Sternbalds Wanderungen“ befassen sich mit Kunst, jedoch spielt auch die Natur eine große Rolle. Natur ist sogar gewaltiger als Kunst. Und Natur, das ist in erster Linie der deutsche Wald, der ja auch heute noch der Ort der deutschen Seele ist. Wackenroder und Tieck haben in Worte gefasst, was viele andere bewegte.
Nazarener
Dürer, aber auch die frühen Künstler vor Raffael, das waren die Vorbilder junger Maler, die begannen, die Stimmung der Romantik in Bilder umzusetzen.
„Man lernt einen vortrefflichen Faltenwurf malen, eine richtige Figur zeichnen, lernt Perspektive, Architektur, kurz alles – und doch kommt kein richtiger Maler heraus. Eins fehlt … Herz, Seele und Empfindung …“ so klagt ein Akademiestudent in Wien. Franz Pforr und Friedrich Overbeck werden die Seele des Protestes gegen die rein technische Ausbildung, zusammen mit anderen Studenten gründen sie 1808 die Vereinigung der Lukasbrüder. Der Evangelist Lukas gilt als Schutzpatron der Maler.
Ihre Themen waren von Anfang an religiöser und romantischer Natur. 1810 zogen einige von ihnen nach Rom, und dort machte ein großer Auftrag sie bekannt: die Ausschmückung der Villa Bartholdy mit Fresken. Entsprechend ihrer Gesinnung wählten sie ein biblisches Thema – die Josephsgeschichte.
Die Akademien in Düsseldorf, Frankfurt und Berlin wurden nach 1819 von Nazarenern geleitet. Irgendwann allerdings war ihr Stil überholt, nur in der Kirchenmalerei blieb er Vorbild.
Zeitbezug
Die Zeit des Feudalismus schien vorbei, der Bürger zeigte Selbstbewusstsein. Für junge Menschen war es eine Zeit des Aufbruchs. Allerdings könnte man ihn als rückwärts gewandt bezeichnen: Die Zeit der kühlen Vernunft, der Aufklärung war vorbei, es lebe die Religion, vor allem die katholische. Abenteuerliches, Phantastisches gar Schauerliches war angesagt. Die Natur, die Kunst waren der Andacht wert. Es zählten die Herzensergießungen, die Freundschaft, die Gemeinsamkeit. Volkssagen und Märchen schätzte man hoch und übernahm deren Stil für eigene Werke. Vor allem deutsch musste es sein. Alte Volkstrachten wurden zum Modevorbild: die Haare frei und offen über dem altdeutschen Kittel und auf den Haaren möglichst ein Federbarett.
Man teilt, wie bei uns üblich, das Zeitalter Romantik in Früh-, Mittel- und Spätromantik ein, als Zeitrahmen die Jahre 1798 bis 1835 oder, bei anderen Autoren, 1848. Die prominentesten Namen hat die Spätromanik aufzuweisen, ihr Mittelpunkt in Berlin war der Salon der Rahel Levin-Varnhagen mit den Gästen Tieck und E. T.A. Hoffmann. In Wien lebten und wirkten Eichendorff und Schlegel.
Lyrik
Die Lyrik war die vorherrschende Form der Literatur der Romantik.
Verse, die sicher jeder von uns kennt:
Es war, als hätt‘ der Himmel
die Erde still geküßt,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst‘
Eichendorff
Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte,
streifen ahnungsvoll das Land
Mörike
An der Saale hellem Strande
stehen Burgen stolz und kühn
Ihre Dächer sind zerfallen
und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen d’rüber hin
Franz Kugler
Und von Heinrich Heine, dem „entlaufenen Romantiker“, wie er sich selber nannte, etwas Satirisches zum Thema Romantik:
Das Fräulein stand am Meere
und seufzte lang und bang
Es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein, sei`n sie munter,
das ist ein altes Stück:
hier vorne geht sie unter
und kehrt von hinten zurück
Bildmotive
Ein Blick auf die Werke Caspar David Friedrichs zeigt exemplarisch die Motive der romantischen Malerei. Der Mann über dem Nebelmeer, das Kreuz im Walde, die Klosterruine im Eichenwald.
Einer der herausragendsten Maler der Nazarener war Friedrich Overbeck.
Am bekanntesten dürfte sein Werk „Italia und Germania“ sein, entstanden aus dem Gedanken der Verbindung der beiden Länder, in denen er gewirkt hatte.
Er war mit seinem früh verstorbenen (1812) Freund Franz Pforr und anderen nach Rom gezogen. Dort wohnten die Freunde, unter anderen auch die Brüder Schadow, in einem aufgelassenen Kloster, jeder in einer Zelle. Das Refektorium war ihr gemeinsames Atelier. Obwohl also die Romantiker sich der deutschen Kunst und Vergangenheit widmen wollten, spielten Rom und Italien eine große Rolle für sie.
Auch bei den Malern finden wir die Unterteilung in Frühromantik mit Caspar David Friedrich, für den die Landschaft ein Seelenzustand war, Mittelromantik – die Nazarener mit ihrer religiösen Ausrichtung, Spätromantik mit Moritz von Schwind, dem Maler des Volkstümlichen.
Die Blaue Blume
Die Blume der Romantik. Ein früh verstorbener adliger Autor, ein wohlklingendes Pseudonym und ein unvollendeter Roman, ist das nicht wahre Romantik? Das Pseudonym war nach einem früheren Namen seiner Vorfahren gewählt, die sich nach dem Gut „magna Novalis“ nannten.
Sein Romanheld Heinrich von Ofterdingen erblickt im gleichnamigen Roman
in einer Höhle „eine hohe lichtblaue Blume“, nach deren Anblick er sich gesehnt hatte. Und nach der blauen Blume und ihrer Verheißung werden sich auch viele andere Jünglinge sehnen. So Eichendorff:
Ich suche die blaue Blume
Ich suche und finde sie nie
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh‘
Noch der „Wandervogel“ suchte hundert Jahre später in seinem Lied „Wir wollen zu Land ausfahren …“ die blaue Blume, denn
Es blühet im Walde tief drinnen
die blaue Blume fein
die Blume zu gewinnen
ziehn wir in die Welt hinein…
Und nach weiteren hundert Jahren: was ist die Sehnsucht unseres Herzens?