von Martin Wedig
Armutsgrenze 1064 Euro – für Witwen 600 Euro
Arm – reich – dazwischen
2016 war jeder 5. Deutsche arm oder ausgegrenzt und jeder 7. Deutsche war von Armut gefährdet(Statista). Armut beginnt unterhalb eines Jahreseinkommens von 12.776 € entsprechend 60% des mittleren Nettoeinkommens. Für Reichtum liegt diese Grenze bei 200%, das sind 42.587 €. Das Standardrentenniveau ist das Verhältnis einer Rente nach 45 Beitragsjahren zum durchschnittlichen Einkommen ohne Sozialabgaben vor Steuern. Diese Berechnungsgrundlage für die Rente ist von 52,9% im Jahr 2000 auf 47,9% im Jahr 2016 gesunken. Für 2030 wird ein Wert von 44,3 % errechnet (Deutsche Rentenversicherung). Die Renten werden daher langsamer steigen als der Durchschnittsverdienst und der Abstand von Rente und Erwerbseinkommen wird zunehmen.
Bereits 2011 waren Rentenminderungen für Männer aus Ostdeutschland sichtbar. Über 85jährige Rentner bezogen 1217 €, Rentner zwischen 75 und 85 Jahren dagegen 1206 €. Verwitwung ließ die hinterbliebenen Ehefrauen weit unter die Armutsgrenze fallen. Witwen bezogen 2011 durchschnittliche Renten zwischen 609 und 650 €.[i]
Wie wird man arm?
„Hauptrisikogruppen seien Alleinerziehende und Erwerbslose sowie Rentnerinnen und Rentner, deren Armutsquote rasant gestiegen sei und erstmals über dem Durchschnitt liege,…“[i]. Ohne Angaben der Reihenfolge und der Effektstärke, sind es also Übergänge wie in die Rente und nachweislich die Verwitwung.
Groschenräuber rauben den Spargroschen
Der alte Begriff „Groschengrab“ meint in abwertenden Zusammenhängen münzweise und anhaltende Ausgaben in geringen Beträgen, darunter Glücksspiel, welche das Portemonnaie leeren. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wäre der neue Begriff von Groschenräubern angemessen. Die Spargroschen der privaten wie staatlichen Investoren wurden mit Gewinnversprechen geködert, dann aber mit Rettungsschirmen und Konjunkturprogrammen vernichtet.[i] Die Spargroschen der Lebensversicherungen sind in den Sog des Vermögensverfalls und der Niedrigzinspolitik geraten. Die als zusätzliche Altersabsicherung platzierten Versicherungen leisten nicht den versprochenen Auszahlungen.
Ausbeutung der Armut
Arbeitnehmer nutzen die neue Bedürftigkeit und auch die Angst vor drohender Altersarmut aus. Einstellungsfragebögen durchleuchten den Arbeitssuchenden mit den Fragen „Altersrente > 65“, „Berufsunfähigkeitsrentner“, „Pensionäre“, „Vorruhestand“, „Verdienstgrenze“, im weiteren „Beschäftigungsverbot nach § 4 MutterschaftsschutzGesetz“ (Abb.1, Bewerbungsbogen abgerufen am 3.6.2007, überregionaler Arbeitgeber). Ohne Beachtung der besonderen Schutzwürdigkeit von Daten über die physische Gesundheit fragt ein Arbeitgeber also entgegen § 3 Absatz 9 des Bundesdatenschutzgesetzes indirekt und explizit Gesundheitsdaten ab. Belegt durch einen Einstellungsbogen werden Rentner, welche Zusatzkosten verursachen könnten, selektiert. Das „Einverständnis zur Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe aller im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ermittelten personenbezogenen Daten“ läßt offen, wozu dies erforderlich ist. Investigativer Journalismus kann den Ermittlungsbehörden die Richtung weisen, wo Bedürftigkeit und Arbeitsbereitschaft ausgenutzt werden.
Ehrenamt oder Zusatzverdienst für Rentner?
Der Wohlfahrtsverband forderte 2015 der Altersarmut mit einer Erhöhung des Mindestlohns auf 11,50 € zu begegnen.[i] „In Deutschland beträgt der gesetzliche Mindestlohn 2018 genau 8,84 Euro je Arbeitsstunde.“[ii]Eine Witwe müßte erwerbstätiges Einkommen im Umgang eines Minijobs erzielen, um die Rentenminderung nach dem Tod ihres Ehemannes auszugleichen. Fünfzig Arbeitsstunden hätte die Seniorin dafür zu leisten.
Im Anschluss an die Würdigung des ehrenamtlichen Engagements auf dem Seniorentag in Dortmund ist daher zu fragen, ob ehrenamtliche Tätigkeit im Rentenalter nicht bezahlt werden sollte. Von den 14,6 Millionen im Jahr 2016 ehrenamtlich Tätigen durften die Berufstätigen die Ehrenamtspauschale von 720 € im Jahr steuerfrei annehmen. Übungsleiter, so auch Vortagsreferenten durften gar 2.400 € annehmen. Wen wundert’s daß auf dem Seniorentag der Ehrenamtsparcour für den anerkennenden bloßen Handschlag leer blieb.
2.400 € entsprechen 4 Monatsrenten einer Witwe. Träger des Ehrenamtes und nicht die Mitwirkenden werden selektioniert. Im Ehrenamt ist bei niedrigen Pauschalen Sicherheit, Unfallversicherung und wertschätzende Befriedigung zu finden, wohingegen manches Jobangebot für Rentner einer Beratung durch Rechtskundige erfordert.
Quellen und Informationen:
[1] Die Hochbetagten. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Band 47. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Köln 2018.
[1] https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-02/armut-deutschland-2016-paritaetische-verband
[1] Homburg, S., Burghof, H.P., Horn, G.A. et al.: Zwischenbilanz: Krisengewinner und -verlierer. Wirtschaftsdienst 2010; 90(7): 431-443.
[1] Welt Digital 19.2.2015.
[1] Finanzleser.de