Von Eleonore Zorn
Das Alter bringt es mit sich, dass man häufiger zu Beerdigungen muss oder von Todesfällen im Bekanntenkreis betroffen ist. Jedes Mal hält man an offiziellen Gedenktagen kurz inne im Alltag, um seiner Trauer oder seiner Überlebensfreude Raum zu geben.
Offizielle Gedenktage geben dem Alltag ein Gerüst
Deshalb ist es zu begrüßen, dass es Gedenktage gibt wie Allerseelen, Allerheiligen, Totensonntag, Volkstrauertag, die uns erinnern an das Bibelwort: Gedenke, oh Mensch, dass Du Staub bist und zu Staub wirst Du wieder werden. Die Gräber werden zum Beispiel. am kirchlichen Feiertag, dem 1. November mit Blumen und Kerzen geschmückt, Gedenkfeiern in Kirchen und Trauerhallen finden statt, so dass jeder daran teilnehmen kann, der Verstorbene zu beklagen hat. Die Feiern sind meist gut besucht, denn leider gibt es viele Gefallene, die weltweit in fremder Erde bestattet werden mussten. Der Volkstrauertag ist eine Gelegenheit, an den symbolischen Soldatengräbern oder vor einem Denkmal für die Gefallenen zu trauern. So bilden die kirchlichen und staatlichen Gedenktage willkommene Gelegenheiten für alle, sich in das allgemeine Gedenken einzureihen.
Trauer sucht einen Ort, braucht Riten und Altbekanntes
Der Mensch braucht Zeit, Ort und Gelegenheit zum Trauern. Wenn er das nicht hat, kann ihn später die Trauer in sehr ungeeigneten Momenten einholen. Das sieht man zum Beispiel in meiner Heimatstadt entlang der Friedhofsmauer. Viele kleine Devotionalien sind ohne Genehmigung aufgereiht. Liebevoll gravierte Granitherzen, Kieselsteine, Holz-Täfelchen (ja, ab und an auch Frühstücksbrettchen) und gar Computerausdrucke mit das Herz ergreifenden Versen (in Plastik eingeschweißt), sind dort für Anna, Oskar oder Franz aufgebaut. Grableuchten, Kerzen, Blumensträuße, Engelslfiguren geben an einem festen Ort, den die Angehörigen glaubten, entbehren zu können, der Trauer ein Gesicht. Das wiesenartige Anonyme Gräberfeld in der Nähe wird auch immer größer, weil die Nachfrage steigt. Währenddessen wächst die Schar der Mini-Denkmale für die individuelle Trauer an der Friedhofsmauer. So findet der Mensch Wege, auch in seiner Trauer individuell zu handeln, Friedhofsverordnung hin oder her.
Das Bestattungswesen wird vielfältiger
Lange Zeit gab es für Begräbnisse nur zwei Möglichkeiten: Erdbestattung oder Feuerbestattung. Das ist nun anders geworden. Eine Vielzahl an individuellen Bestattungsformen ist jetzt möglich, aber wo die Wahl ist, das ist auch die Qual. Wie schön, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten offen darüber gesprochen hat, wie er beerdigt sein möchte. Wie schön auch, wenn er sogar eine Bestattungsvorsorge abgeschlossen hat, so dass sogar die finanzielle Seite einer Bestattung im Voraus geregelt ist. Es gibt dann keinen Streit zwischen Hinterbliebenen, wie teuer oder wie preiswert die Beisetzung sein soll oder ob eine kirchliche Zeremonie sein darf oder muss. Wenn man zu Lebzeiten häufiger daran denken würde, welche Schwierigkeiten Angehörige oft haben, die passende und dem Verstorbenen angemessene Beisetzung zu wählen, dann würde so mancher eine schriftliche Verfügung hinterlassen.
Pomp oder Schlichtheit?
Man stelle sich vor, Onkel Julius, seit Jahrzehnten ohne kirchliche Bindung, wird nun unter Glockengeläute und Gesang zur Ewigen Ruhe geleitet. Was mag sich der eine oder andere, der Julius gut kannte, denken? Er wird sich kaum ein kleines Schmunzeln verkneifen können, wenn er sich vorstellt, was Julius dazu gesagt hätte. Den Erwartungen der Verwandtschaft ist mit einer „schönen Leich“, wie man in Bayern zu sagen pflegt, Genüge getan, aber ob es im Sinne des Verstorbenen war? Manchmal ist zu wenig Geld für eine angemessene Bestattung da. Dann müssen die engsten direkten Nachkommen einspringen. Oft leiden sie noch lange unter Schuldgefühlen bei dem Gedanken, dass sie die ganze Angelegenheit unter finanziellen Gesichtspunkten so schlicht gestalten mussten. Von der Umgebung werden solche Schuldgefühle oft noch geschürt.
Vorsorgend den Willen schriftlich niederlegen
Es gibt auch noch die Möglichkeit, eine individuelle Bestattung durch eine Verfügung zu Lebzeiten anzuordnen. So mancher Verwandte hat auf diese Weise schon seiner ganzen Sippschaft eine Reise an die Nordsee verordnet, wo sie von einem Schiff aus die Urne ins Meer zu versenken hatten oder die Asche gar in alle Winde zerstreuen mussten. Weh dem, der nicht ganz seetauglich ist, er wird keine gute Figur machen. Nicht jeder Sohn, Enkel oder Neffe, der selbst vielleicht schon gar nicht mehr so jung ist, weiß solche Zumutungen zu schätzen. Da es heute möglich ist, neben der traditionell christlichen Beisetzung auch viele andere Formen zu wählen, so lange sie noch innerhalb des guten Geschmacks sind, sollte man zu Lebzeiten mit den Angehörigen darüber sprechen.
Neue, ungewöhnliche Formen der Bestattung
Viel häufiger als früher kommt es vor, dass vorausschauende Menschen schon zu Lebzeiten einen Baum in einem FriedWald als letzte Ruhestätte auswählen. In meiner eigenen Verwandtschaft gibt es einen solchen Fall. Mir wird heute schon angst und bange, wenn ich mir vorstelle, wie ich über Stock und Stein mit der Trauergemeinde im Odenwald unter einem Baum der Versenkung einer Urne beiwohnen muss. Man wünscht sich fast, selbst schon „five feet under“ zu sein, um solchem Schrecken zu entgehen. Wie gut, dass es noch immer sehr teuer ist, seine kläglichen mineralischen Überreste zu einem Diamanten einschmelzen zu lassen oder gar in den Weltraum zu schießen. Sonst gäbe es ganz gewiss auch diese Art der Himmelfahrt bei uns häufiger.
Traditionelle Friedhöfe – Orte der Besinnung und Ruhe
Da lobe ich mir die Beerdigungen auf traditionellen Friedhöfen, die an Pracht, Naturnähe und Ruhe manchen Park überbieten. Wie tröstlich kann es sein, im Trauerzug eine lange Friedhofsallee entlang zu schreiten, möglichst bei gutem Wetter, um einen Verstorbenen nach guter alter Sitte in einem Eichensarg der Erde zu übergeben. Man hat Zeit, während des Fußmarsches zum Grab seinen Gedanken nachzuhängen, das Wesen, das Leben und Wirken und vielleicht die erquickenden Begegnungen mit dem Verblichenen noch einmal vor Augen zu rufen. Beim anschließenden „Beerdigungskaffee“, in Bayern „Leichenschmaus“ genannt, darf beim Erzählen von verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Anekdoten sogar gelacht werden. Einer der Anwesenden wird immer behaupten, dass das ganz im Sinne des Verstorbenen ist, denn er hat doch so gerne gelacht.
Quellen und Links
Fotos: Alle privat vom Autor
Informationen zu Friedhof und Bestattung finden Sie bei Wikipedia
Feiertage des Totengedenkens – Totengedenktage