von Brigitte Nguyen-Duong
Endlich leben wir in einem Zeitalter, in dem wir neugierig und interessiert auf unsere europäischen Nachbarn zugehen können. Heute sind wir soweit, dass die grenzüberschreitenden Kontakte von der EU ideell und finanziell unterstützt werden.
Gründung des Vereins
Eine französische Lehrerin am Gymnasium unseres Stadtteils, wo meine Söhne ihr Abitur machten, organisierte in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen ersten Schüleraustausch mit ihrer Heimatstadt im zentralfranzösischen Berry. Bald wollten auch die Eltern und Großeltern der Schüler diese bezaubernde Gegend mit ihren Bewohnern kennen lernen.
Nicht lange danach wurde in unserem Stadtteil ein Verein zur Partnerschaft mit der französischen Kleinstadt gegründet. Ich war als eines der ersten Mitglieder mit dabei und somit auch gleich im Vorstand. Es scharten sich noch einige frankophile Stadtteilbewohner von Ulm-Wiblingen um den Vereinskern. Manche konnten kein Wort französisch, waren aber hoch motiviert, freundschaftliche Kontakte mit französischen Familien anzuknüpfen.
Erster Besuch in Frankreich
Unsere erste Busreise mit 30 Personen nach Argenton sur Creuse im Herzen Frankreichs war äußerst aufregend. Wie werden unsere neuen Freunde uns aufnehmen, können wir uns alle verständigen, werden wir uns wohl fühlen?
Nach der Ankunft entspannte sich die Aufregung in unserer Wiblinger Reisegruppe schnell, denn wir wurden überaus herzlich empfangen von den verschiedenen Gastfamilien. In den meist idyllisch gelegenen Häusern und Wohnungen erwartete uns ein eindrucksvolles mehrgängiges Festmenü. Es entwickelten sich Freundschaften, die bis heute noch bestehen.
Die Verständigung
Teilweise wurde die Verständigung mit Händen und Füßen betrieben und dabei viel gelacht. Andere waren etwas gewandter mit der französischen Sprache und konnten schon viel voneinander erfahren. Familienfotos kursierten in der Runde und es wurde von der Heimatstadt erzählt. Über alle Sprachbarrieren hinweg entdeckten wir viele Gemeinsamkeiten.
Meistens waren es aber die Deutschen, die sich bemühten sich auf Französisch zu verständigen und selten die Franzosen auf Deutsch. Wahrscheinlich liegt das an den wenigen fremdsprachigen Nachbarländern, die an Frankreich grenzen.
Gegenbesuch in Deutschland
Unsere französischen Freunde waren durch die Bekanntschaft mit uns so neugierig auf unsere Heimat geworden, dass sie ein Jahr später zum Gegenbesuch anreisten. Für manche französischen Gäste war es die erste Fahrt ins Ausland. Die eleganten Französinnen oder die selbstbewussten Franzosen wunderten sich über diese oder jene deutsche Sitte. Zum Beispiel gibt es in Frankreich keine Untertasse zum Frühstück, der Kaffee wird aus einem großen Bowle getrunken. Zu den Mahlzeiten fehlte oft das Weißbrot. Stadtspaziergänge und Besichtigungen von ungeahnten Sehenswürdigkeiten lösten aber große Entdeckungsfreude bei unseren Gästen aus.
Fortbestand der nachbarschaftlichen Freundschaften
Inzwischen sind viele Jahre vergangen und jedes Jahr gibt es eine freundschaftliche Begegnung. Unter die Gruppe der Stammreisenden mischen sich weitere Neugierige aus unserer Gegend. Die Aufenthalte selbst sind immer sehr erlebnisreich, begleitet von kulturellen und Gemeinschaft fördernden Programmpunkten, von Ausflügen und Festen.
In Frankreich führten uns unsere Freunde zu Besichtigungen einer Anzahl von Schlössern, an der Loire oder an anderen romantischen Stellen, oder wir erlebten miteinander fröhliche Wein- und Käseproben. In unserer Gegend bringen mittelalterliche Städtchen oder moderne Architekturen die Gäste zum Staunen. Als deutsche Spezialität genießen unsere Besucher mit Vorliebe eine Bockwurst mit knusprigen Brezeln und echtem deutschen Bier.
Jubiläum
Dieses Jahr feiern wir das Jubiläum der Beurkundung unserer Partnerschaft im Rathaus von Argenton sur Creuse, wo die Bürgermeister vor 25 Jahren das verbindende Dokument unterschrieben.
Außer den Partnerschaftsbegegnungen bezeugen viele einzelne Besuche zwischendurch, kleine Briefwechsel und Geschenkaustausche unter den deutsch-französischen Freunden die gewonnene vertrauliche Beziehung, die zwischen den Nachbarn entstanden ist, die viele Vorurteile verschwinden ließ und die die Landesgrenzen auf unzähligen kleinen Brücken überwindet.