von Eleonore Zorn
Vor einem Jahrzehnt regte eine neu hinzugezogene Familie in unserer Straße dieses Nachbarschaftstreffen an und krempelte gleich selbst die Ärmel hoch. Nach dem Motto:
„Was lange währt, wird immer besser“, fand es dieses Jahr schon zum zwölften Mal statt.
Wenn ein Wohnviertel lange besteht, fehlt die jüngere Generation
In vielen alten Wohnvierteln, die nach dem Krieg neu entstanden, blieben nach und nach nur noch die älteren Leute zurück, nachdem die Kinder weggezogen sind. So war es auch hier. In den meisten Häusern lebten nur noch einzelne Mitglieder der früheren Familien, meist Witwen. Es wurde immer stiller und ruhiger. Bis auf die Autos der Pflegedienste, der fleißigen Haushelfer oder gelegentlichen Gartenhelfer gab es wenig Bewegung. Denn alle Frauen (Witwer gibt es seltener hier) waren mit den Arbeiten rund um das Haus und den Garten sehr beschäftigt und oft überfordert. Kein Wunder, die Gärten wurden ja früher für mehrere Personen angelegt und waren dementsprechend großzügig gestaltet und liebevoll mit allerlei exotischen Pflanzen und Rasenflächen ausgestattet.
Das Viertel verjüngt sich
So viel junges Volk auf der Straße sah man hier in den vergangenen zwanzig Jahren nicht. Es war ein richtiges „Straßenfest“ geworden, denn die Planer des Festes hatten eine Erlaubnis der Stadtverwaltung eingeholt, dass wir die Straße für die Dauer eines Nachmittages und Abends absperren und die Tische direkt auf der Wohnstraße aufbauen durften. Dieses Jahr hatte sich die Zahl der Teilnehmer wieder um einige zugezogene junge Familien erhöht und das fröhliche Treiben der nun hier lebenden Kinder war eine willkommene Bereicherung des Treffens. Nun also zog nach und nach neuer Wind ein in die alten Gemäuer bzw. in die Straße. Wie in den Vorjahren hatte die „Gründer-Familie“ des Anwohnerfestes in Zusammenarbeit mit anderen Nachbarn die Gestaltung der Einladungen, die Beschaffung der Speisen und Getränke, den Aufbau der Bänke und Tische sowie der Partyzelte organisiert und durchgeführt. Alles war wieder liebevoll dekoriert und sogar an bequeme Sessel für die älteren Gäste war gedacht. Auch für das Abholen der Älteren war gesorgt und wurde von denen, die noch flott zu Fuß sind, gerne übernommen.
Das Gelingen hängt auch vom Wetter ab
Der Wettergott machte es so spannend wie jedes Jahr. Bis zu Beginn des Festes war es nicht sicher, ob es wieder regnen wird, wie immer war es dann doch trocken und auch warm genug, um mit dem Schlemmen und Trinken und Unterhalten zu beginnen.
Phantasievolle Köstlichkeiten hatten die Anwohner des Straßenfestes mitgebracht. Ein paar Freiwillige legten unermüdlich Fleisch und Würstchen auf den Grill. Viele Sorten Brot, altbekannte und exotische Salate, frisch gezapftes Bier, Apfelsaft für die Kinder und Abstinenzler, Wein, Plätzchen und Kaffee gab es auch dieses Jahr reichlich. Den Kindern und anderen Naschkatzen mundete der Früchte-Nachtisch und auch die Käseplatte fand begeisterten Zuspruch. Für jeden war etwas dabei.
Wie es früher war….
So erfuhren die Nachbarn in froher Runde bei lebhaften Gesprächen mehr über einander als während des ganzen Jahres, denn meistens sieht man sich ja nur durch die Die Alteingesessenen freuten sich sehr, endlich Gelegenheit für ein ausführliches Gespräch mit den neuen und überwiegend noch jungen Nachbarn zu haben.
Wann welches Haus gebaut und welcher Baum gepflanzt wurde – das wussten die seit Jahrzehnten hier Lebenden noch ziemlich genau und manche Anekdote wurde weitergegeben. Wie das war, als am Kriegsende amerikanische Streitkräfte und später Flüchtlinge hier einquartiert wurden. Aus Blumenbeeten wurden damals Kartoffelfelder und in so manchem Garten gab es Hühner- und Kaninchenställe. Der Wunsch nach Blumen und Schönheit im Garten musste der Nahrungsbeschaffung weichen. Inzwischen haben sich Rasen, Rhododendron-Büsche, Buchs, Wachholder und Geranien die Gärten zurückerobert, sehr zur Freude der Bewohner. Viele Häuser wurden modernisiert, den Anforderungen an die heutige Zeit behutsam angepasst. Vor allem Wärmeschutzmaßnahmen und die Installation von Solaranlagen waren im letzten Jahr angesagt.
Hoffnung auf Fortbestand der Tradition des Festes
Es wäre schön, wenn die beim Fest gern gesehenen Kinder der neuen, jungen Hausbesitzer diese Eindrücke mit in ihr künftiges Leben nehmen würden. Dann könnte es gelingen, dass dieses schöne und gemeinschaftsstiftende Anliegerfest vielleicht auch noch von kommenden Generationen veranstaltet wird. Die fleißigen Frauen und Männer in den mittleren Jahren, die dieses Jahr wieder die Hauptlast der damit verbundenen Arbeit trugen, werden schließlich auch jedes Jahr älter und werden sich eines Tages freuen, von den jetzigen Kindern und Jugendlichen entlastet und bedient zu werden. So, wie die alten und ältesten „Ureinwohner“ unserer Straße, die trotz ihrer 80 oder 90 Lebensjahre das Zusammensein mit den neuen und alten Nachbarn sehr genossen haben.