Foodwatch kontra TTIP?

von Lore Wagener

Kürzlich hörte ich im WDR 5 eine ungewöhnlich aggressive Diskussion zu der Frage, ob das neue Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU tatsächlich notwendig ist.

Die Diskutanten

Der WDR hatte Jacob Schrot, den Vorsitzenden der „Initiative junger Transatlantiker“ und Thilo Bode, den Foodwatch-Chef, eingeladen. Ersterer war ein engagierter Befürworter von TTIP, während Thilo Bode sich skeptisch äußerte. Er hat sogar ein Buch die „Freihandelslüge“ geschrieben.

Foodwatch

Die Initiative der Lebensmittel-Retter, wiesie auch genannt werden, wurde im Oktober 2002 in Berlin vom ehemaligen Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode gegründet. Zweck des eingetragenen gemeinnützigen Vereins soll die Förderung des Verbraucherschutzes durch Verbraucherberatung und Aufklärung, Information von Verbrauchern auf den Gebieten der Agrar- und Lebensmittelproduktion, sowie des Handels und des Absatzes von Verbrauchsgütern und von Dienstleistungen sein. Die Initiative hat zurzeit etwa 40 000 Mitglieder. Sie will auf diesen Gebieten auch Einfluss auf die Politik nehmen. Kritiker meinen, sie diktiere bereits der Nahrungsmittelindustrie und der Politik die Spielregeln auf dem Lebensmittelmarkt. Die Initiative ist sogar verbandsklageberechtigt.

Junge Transatlantiker

Jacob Schrot ist leitend bei der im Jahre 2011 gegründeten Initiative „Junge Transatlantiker“ tätig. Der Begriff „Transatlantiker“ bezeichnet einen Politiker, der fest davon überzeugt ist, dass die Bundesrepublik Deutschland nur als fest angeschlossener Juniorpartner der USA gedeihen kann. Zudem meint der Transatlantiker, dass die Art, wie in den USA Politik und Wirtschaft organisiert sind, der Bundesrepublik ein Vorbild sein sollte. Die Vertreter der transatlantischen Netzwerke sagen, dass man in Verhandlungen mehr erreichen kann, wenn man die Öffentlichkeit möglichst wenig informiert. Das Selbstverständnis der Initiative ist elitär. Quasi der Ursprung der verschiedenen transatlantischen Netzwerke ist der „Council on Foreign Relations“, kurz CFR. Dieser Rat für Auswärtige Angelegenheiten wurde 1921 in New York gegründet. Zu den Netzwerken in Europa gehört zum Beispiel die „Atlantik-Brücke“. In Deutschland stellt sie unter anderem Kontakte her zwischen den Eliten der USA und jenen Deutschlands. Die Initiative „Junge Transatlantiker“ wurde erst 2011 gegründet. Ihre Mitgliederzahl wird mit 450 Menschen in 7 europäischen Ländern angegeben. Sie ist also ein kleiner, aber elitärer Verein.

Freihandelsabkommen?

Ein Freihandelsabkommen ist ein völkerrechtliches Abkommen zwischen zwei Staaten – oder multilateral – zwischen mehreren Staaten mit dem Ziel, Handelshemmnisse abzubauen, zum Beispiel durch Zollsenkungen oder den Wegfall von Einfuhrbeschränkungen.
Eine Freihandelszone ist das Gebiet, in dem die beteiligten Länder untereinander individuell zugeschnittene Vereinbarungen für ihren Handel treffen. Sie  können zum Beispiel aber auch den Handel zum Schutz der eigenen Industrie mengenmäßig beschränken.
Eine rechtlich andere Art der Handelsbeziehungen ist die Zollunion. Die Europäische Union ist eine solche Zollunion.

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den unterschiedlichsten Ländern in aller Welt Freihandelsabkommen geschlossen, zum Beispiel mit Südkorea, der Dominikanischen Republik oder Südafrika. Die Liste in Wikipedia ist sehr lang. Ohne diese speziellen Handelsabkommen wäre unsere Stellung als Exportnation nicht so gut. Daneben verhandelt aber auch die EU als Zollunion über Handelsabkommen für ihren gesamten Wirtschaftsraum. Das befürwortet grundsätzlich auch Foodwatch. Doch das zurzeit ausgehandelte Abkommen TTIP mit den USA stößt auf massive Kritik.

TTIP.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP ist ein seit Juli 2013 verhandeltes, aber noch nicht ratifiziertes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen. Es wird ein völkerrechtlicher Vertrag werden. Aber EU-Recht bricht dann das nationale Recht.
Der bis jetzt nicht öffentliche Verhandlungsprozess wird vielfach als undemokratisch kritisiert. Es geht hier weniger um den Freihandel an sich, sondern um den rechtlichen Rahmen. Man fürchtet das Bestreben der multinationalen Investoren, ihre Handelsmacht bei der Vertragsverhandlung nicht nur durchzusetzen, sondern auch rechtlich zu verankern. Man fordert einen öffentlichen ehrlichen Austausch über die konkrete Gestaltung von fairem und freiem Handel. Alles andere wäre undemokratisch.

TTIP brauchen wir nicht?

Das meint Foodwatch. Es hat neben den „Chlorhühnchen“ und den gentechnisch veränderten Lebensmitteln, die dann auch bei uns Standard würden, ganz grundsätzliche und schwerwiegende Bedenken. Viele andere Bürgerinitiativen und Verbände haben die ebenso. Sie fürchten alle, dass mit TTIP ein zu gewaltiger und zu mächtiger Wirtschaftsblock entstünde, der 50 Prozent der Weltwirtschaft in sich vereinte. Der hätte dann tatsächlich die Macht, die globalen Spielregeln der Wirtschaft zu dominieren. Die Einführung privater Schiedsgerichte, die außerhalb der staatlichen Justizapparate agieren sollen, belegen diesen Eindruck, und dass die Verhandlungsführer das so wollen. Die Macht der globalen Konzerne würde sich dadurch noch weiter verstärken. Demokratie und Rechtsstaat würden ausgehöhlt. Man fürchtet auch um die in Europa bestehenden fortschrittlicheren Standards im Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Daten- und Verbraucherschutz. Die Lage der ärmeren Schichten könnte dann noch schlechter werden. Foodwatch meint daher, „unsere bestehenden Handelsabkommen reichen völlig aus. TTIP brauchen wir nicht“.

Pro TTIP

Die EU-Kommission hat im Vorfeld der Verhandlungen eine Forschungsstudie bei einem Londoner Institut in Auftrag gegeben. Weitere Studien zu TTIP wurden von anderen namhaften Instituten erstellt. Sie befürworten grundsätzlich das Projekt und sehen für die EU-Wirtschaft ein Potential von rund 119 Mrd. Euro pro Jahr. Die USA-Wirtschaft hätte wiederum ein Potential vonvon rund 119 Mrd. Euro pro Jahr. Die USA-Wirtschaft hätte wiederum ein Potential von 95 Mrd. Euro pro Jahr. „Die Förderung des transatlantischen Handels wäre also für die Politiker eine interessante Möglichkeit für mehr Wachstum, ohne die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen“.
Die Verhandlungsführer beteuern, dass es auch keine breite Deregulierung geben soll. Man verspricht, Standards und Zertifizierungsverfahren gegenseitig anzuerkennen. Auch wird angemahnt, dass die Europäer nicht immer die höheren Standards hätten. Oft sei es auch eine Frage der Perspektive, welche Standards besser sind. TTIP muss also noch weitere Diskussionen auslösen. Gute Kompromisse wären wichtig.

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