von Erna Subklew
Es gibt kaum ein Land in der Welt, in dem das Brot neben dem Wasser, eine so große Rolle spielt, wie in der Türkei. Erst wer kein Brot und kein Wasser hat, ist wirklich arm.
Wann man Brot isst
Zu jedem Essen gibt es selbstverständlich Brot. Auch wenn eine Mahlzeit aus Nudeln oder Kartoffeln besteht, wird dazu Brot gegessen. In der Regel stehen, sowohl in jedem Haushalt als auch in jedem Lokal und sei es auch noch so einfach, zu jeder Mahlzeit ein Korb mit Brot und eine Karaffe mit Wasser und Gläsern auf dem Tisch. Bauern, die in der Stadt Besorgungen machen, aber auch Arbeiter, gehen oftmals in ein Lokal, essen einen Teller Suppe und dazu ein Viertel bis die Hälfte eines Brotes, ohne dass dies beanstandet wird.
Die Arbeiter nehmen als Mahlzeit für den ganzen Arbeitstag oft nur ein Stück Brot, und es ist wirklich ein Stück, keine Scheiben oder Schnitten, und einige Zwiebeln, Oliven und Tomaten mit.
Das in den Städten am meisten verzehrte Brot ist rund oder etwas länglich aus Weizenmehl, das mit Sauerteig gebacken wird. Da es ein Volksnahrungsmittel ist, wird es subventioniert und ist daher verhältnismäßig billig.
Daneben gibt es das auch bei uns bekannte Fladenbrot, das „pide“ genannt wird. Wer es sich leisten kann, holt es sich zu jeder Mahlzeit frisch vom „firin“ dem Ofen, wie in der Türkei die Brotbäckerei genannt wird. Früher bekam man dieses Brot, das mit Hefe gebacken wird, nur im „Ramazan“, der Fastenzeit zu kaufen. Meist ist es mit „çörek otu“, dem Schwarzkümmel oder Sesam bestreut. Die „pide“ entspricht dem ungesäuerten Brot der Juden, den Matzen.
Andere Backwaren
Neben diesen Broten hat schon sehr früh die französische Baguette Einzug in die türkischen Bäckereien gehalten. Sie wird „francela“ oder auch „francola“ genannt und war und ist vor allem bei den in den Städten lebenden Minderheiten beliebt. Als kleinere Backwaren werden die Sesamkringel hergestellt, handtellergroß und „simit“ genannt. In den letzten Jahren gibt es sie auch als Riesenkringel, die ungefähr 500 g wiegen und ebenfalls mit Sesam bestreut sind.
Zu den kleineren Backwaren gehören ebenfalls die “çörek”, die Zöpfe und die „poğaça” eine Art Brötchen. In den Brötchenteig kommt Schafskäse. Der “kandil simidi”, der „Glühlämpchenkringel“, ist eine Art von Sesamkringeln, die am Vorabend des Geburtstages und der Himmelfahrt des Propheten Mohammeds gebacken wird. Seinen Namen hat er von den Glühlämpchen erhalten, die an diesen Festen aufgehängt werden. An den Nachmittagen dieser Feste riecht es in den Stadtteilen, wo diese “kandil simidi” hergestellt werden, ganz köstlich nach dem Teig und den Gewürzen dieser frisch gebackenen Kringel.
Diese drei Gebäcke werden allerdings nicht vom Brotbäcker gebacken, sondern vom “pastaci”. In der Regel werden diese Backwaren außer der “poğaça” auch nicht zu Hause hergestellt.
Brot backen auf dem Dorf
Nicht jeder Ort aber hat einen Bäcker oder einen Konditor. In den kleineren Orten und Dörfern backen die Frauen daher auch noch ihr Brot selber. Während die Brote und Backwaren, die gewerbsmäßig gebacken werden sich auch mehr oder weniger ähneln, unterscheiden sich die von den Dorfbewohnern selbst gebackenen Brote stark nach den Regionen.
Da gibt es zuerst die Unterscheidung nach Mehlsorten. Je nachdem welches Getreide in dieser Region besonders gut gedeiht, aus dem wird auch das Brot gebacken. So gibt es Gegenden, in denen neben Weizenbrot bevorzugt Roggenbrot, andere, in denen Mais oder Gerstenbrot gebacken wird.
Unterschiedliche Zutaten und Öfen
Neben den unterschiedlichen Getreidesorten kommen auch andere Zutaten der Region in den Brotteig. Es sind solche, die in dieser Gegend angebaut oder in reichem Maße vorhanden sind.
So gibt es am Schwarzen Meer Dörfer, in denen dem Brotteig Sardinen zugefügt werden. In Afyon Karahisar dagegen mischt man dem Brot Mohn bei. Außerdem unterscheiden sich die Brote auch nach der Herstellungsart. Es gibt Brot, das mit Sauerteig, mit Hefe oder völlig ohne Triebmittel hergestellt wird. Ein anderer
Unterschied ist, der „Ofen“ in dem das Brot gebacken wird, nämlich ob im „firin“, dem „tandir“ oder dem „sac“. Während der „firin“ ein vorwiegend aus Steinen oder Lehm hergestellter Backofen ist, der entweder für sich allein steht oder in das Haus integriert ist, ist der „tandir“ ein in das Erdreich eingelassenes großes Tongefäß und der „sac“ eigentlich nur ein auf Steine gelegtes Backblech. Sicherlich aber gibt es nur wenige Orte wie Dörfer in der Gegend von Kayseri, wo man im Winter und Sommer ein anderes Brot bäckt.
Sommerbrot – Winterbrot
In der Gegend um Kayseri hatten die Bauern ihre eigenen Mühlen, in denen sie ihr Mehl selber mahlten. Je nachdem was man für ein Mehl haben wollte, siebte man das Mahlgut mit einem grob- oder engmaschigen Sieb. Beim Gebrauch des grobmaschigen enthält das Mehl mehr Kleie, bei Gebrauch des feinmaschigen Siebes bekommt man ein feines weißes Mehl. Dafür ist die Ausbeute aber geringer. Je nachdem für welche Gelegenheit man das Brot backte, nahm man das eine oder andere Mehl dafür. Aber immer war im Winter der „tandir“ der Backofen, im Sommer dagegen das „tava“ genannte Backblech.
Das Sommerbrot
Zwischen die auf der Erde liegenden platten Steine, die die Backstelle ausmachen, wird zunächst Spreu geschüttet, auf das man die getrockneten Kuhfladen legt. Wenn alles weißglühend ist, zieht man die größeren glühenden Kuhfladenstücke zur Seite und legt das Backblech auf die restliche Glut. Wenn das Blech heiß ist, legt man darauf den Teig und deckt ihn mit einem zweiten Blech ab, auf das man die zuvor zur Seite gezogenen glühenden Kuhfladen legt. Das so gebackene Brot heißt „bazlama“.
Das Winterbrot
Im Winter dagegen wird das „tandir“-Brot gegessen. Die Herstellung des Teiges ist die gleiche wie beim Sommerbrot, nur werden jetzt die einzelnen Laibe nicht auf das Backblech sondern an die Wand des „tandir“ geklebt. Wie bereits erwähnt, ist der „tandir“ ein in die Erde eingelassenes Tongefäß, in das an der einen Seite ein Rohr eingeführt wird, um die Luftzufuhr zu sichern. Das Gefäß wird mit einem Deckel geschlossen. Heizmaterial für diesen Backofen ist ebenfalls Spreu.
Das „sac“-Brot
Das „sac“-Brot wird in vielen Gegenden der Türkei gebacken. Zum Backtag heuert man einige Frauen an, die einem bei dieser Arbeit helfen. Früher backte man in Nachbarschaftshilfe. Die Frauen gingen reihum in die Familien und halfen sich gegenseitig. Heute ist es oftmals nicht mehr möglich, so dass man die Helferinnen bezahlt.
Zu dieser Arbeit sind in der Regel vier Frauen nötig: eine die bäckt und drei, die den Teig ausrollen. Der Teig besteht lediglich aus Mehl, Wasser und Salz. Und er muss tüchtig geknetet werden. Das Kneten des Teiges übernimmt die Frau, die das Backen veranstaltet. Ist der Teig gut durchgearbeitet, wird er in kleine Stücke geteilt, die von den anderen Frauen mit einem langen dünnen Walkholz zu dünnen Kreisen ausgerollt werden. Eine Frau bedient den Backofen. Er ist so konstruiert wie der In Kayseri auf dem das Sommerbrot gebacken wird. Zwischen Steinen wird aus Spreu ein Feuer entzündet auf das ein Blech gelegt wird. Hat es die richtige Temperatur wird der ausgerollte Teig auf das Blech gelegt. Da der Teig so dünn wie Strudelteig ist, geht das Backen sehr schnell. So schnell, dass man drei Frauen braucht, um das Heizmaterial richtig ausnützen zu können und keinen Leerlauf hat. Heizmaterial ist kostbar.
Die Lagerung
Die so entstandenen Teigräder werden in einem Vorratsraum gestapelt. Meist sind die Brottürme über einen Meter hoch. Sie halten sich bei richtiger Lagerung mehrere
Monate. Daher werden die Brote schon im Herbst für den Winter gebacken. Der
Grund hierfür ist, dass man draußen bäckt und dass man im Sommer weniger Heizmaterial verbraucht. Wenn man das Brot essen will, besprengt man es mit Wasser, so dass man mit den Händen Stücke abreißen kann. Natürlich nimmt das Brot backen im Dorf ab, je mobiler man ist und je „wohlhabender“ man wird.
(Dieser Artikel ist das Ergebnis eines Erzählkreises türkischer Frauen beim Internationalen Familienzentrum in Frankfurt am Main.)